Gedanken über ein kleines Wort „als“ von Dr. Karl Schlösser Entschuldigen Sie bitte, wie komme ich von hier aus zum Dom? Gehn Se do ums Eck un dann als gradaus“ Also da um die Ecke und dann, wie bitte? Als gradaus! Verzeihung, aber was bedeutet „als“ geradeaus? Ach, des verstehn Se nit? - Na, Sie missen immer gradaus gehe. Aber warten Se, wenn Se hier fremd sin, geh ich e Stick mit Ihne. Sehr liebenswürdig, ich lasse mir gern den Weg zeigen. Komme Se schnell, eh’s widder rot werd, do muß mer nämlich als lang wade. Mir fällt auf, daß Sie in Worms „als“ statt „immer“ sagen. Ja, des stimmt, des mache mer als. Awwa gucken Se mol dort, des is schunn de Dom. Ein großartiges Bauwerk! Seinetwegen kommen wohl viele Fremde nach Worms. Do hawwen Se recht, hauptsächlich im Summer kummen als ganze Autobusse voll. Sie meinen jetzt „immer“ ganze Autobusse voll? Wieso? Ach nä, „als“ hääßt jetzt hier soviel wie „öfters“, wenn ich mer’s recht iwwerlege du. In Worms hat „als“ eine sehr vielseitige Bedeutung, wie mir scheint. Wo se des sage, merk’ ich’s aach. Seh’n Se, do lern ich sogar selber noch was. Es is doch gut, wenn mer als emol mit emme Auswärtige spricht. Sagen Sie jetzt „als einmal“? Aber was soll das denn bedeuten? Eijeijei, wie soll ich Ihne des widder erkläre? Ich glaab, hochdeutsch gibt’s des garnit. „Als emol“, na ja, des häßt „manchmal“, „ab und zu“, „vunn Zeit zu Zeit“ odder so was Ähnliches. Was Sie alles aus dem Wörtchen „als“ herausholen! Wissen Sie noch mehr Beispiele? Do muß ich noochdenke, awwer wenn mer sucht, fällt äm als meistens nix ei. Sie haben schon eine neue Spielart geliefert, nämlich „als meistens“. Nur - warum sagen Sie hier „als“, das könnte doch auch wegbleiben. Sicher, awwer mir sagen’s halt, s’gibt doch auch dem Ganze mehr Nachdruck. Außerdem steht „als“ hier für „gewöhnlich“ oder „in der Regel“. Jedenfalls - wormserisch fehlt was, wenn’s „als“ wegbleibt. O, wo sind wir denn jetzt, wie heißt dieser Platz, und was machen die vielen Menschen hier? Des is de Marktplatz. So’n Betrieb is hier immer, wenn Markttag is, do kummt als die halb’ Stadt zu de Marktwinzer un zum einkaafe. „Als“ die halb Stadt? Na ja, des is nit wörtlich gemeint, aber gewöhnlich sinn viel Mensche hier, wenn Markt is. Aha! Gewöhnlich, ich verstehe. Sagen Sie bitte, was ist das für eine große Kirche dort drüben? Die Dreifaltigkeitskerch. Die is zur Erinnerung an die Reformation gebaut worde. Worms hot jo domit aach was zu due, wissen Se, damals, als de Luther hier war. Ja, aber das ist jetzt nichts Besonderes. Wieso nit? Sie scheinen nit zu wisse, was de Reichstag bedeutet! Natürlich weiß ich das, ich meine ja etwas ganz anderes. Wenn Sie sagen „damals, als“, das ist nichts Besondres, so heißt das auch anderswo. Ach, des meine Sie, ja, des is richtig. Awwer ich muß doch sage, für die Reformation war de Wormser Reichstag vunn 1521 wichtiger wie alle annern vorher unn nachher. „Als“! Bitte? Wichtiger „als“, müssen Sie sagen, das schreibt auch der Duden vor. Gott ja, in de Schul hab’ ich des aach so gelernt, trotzdem sage mer in so emme Fall „wie“. Das ist aber falsch! Soll’s falsch sei! Als fort! Jetzt bringen Sie aber wieder etwas Neues: „als fort“! Was heißt das? Hm, ja, dodevor kännt’ mer aach „vunn mir aus“ odder „meinetweesche“ sage. Ich erhalte von Ihnen eine schöne Einführung ins Wormserische, wo „als“ ein Schlüsselwort zu sein scheint. Unn ich lern’ tatsächlich durch Sie erscht mei Muttersprooch’ kenne. Jedenfalls sind wir auf sehr kurzweilige Weise nun bis zum Dom gekommen. Kann man durch dieses Portal hineingehen? Ich glaab nit, der Eingang hier uff de Nordseit’ is als zu. Und welcher Eingang ist „als“ offen? Sehen Sie, ich habe schon ein wenig Wormserisch gelernt. Gut! Mache mer glei mo e Prob’, ob Se jetzt verstehn’, was ich Ihne erkläre du: Gehn’ Se als um de Dom rum bis zum Südportal. Dort sitzt um die Zeit als en Mann, der läßt Se nei, wenn Se bezahle. Für die Grupp gibt’s ja Ermäßigung, aber na ja, für Sie allä isses aach net deier. Inne drin sin als emol Führunge, wenn’s klappt, machen Se äni mit, die sinn nämlich als gut. Sie könne jo drüwwe noch emol froge, un üwwerhaupt, wenn Se irgendwas wisse wolle, als gefrogt, in Worms gibt jeder gern Auskunft. Um Gottes Willen, so viel „als“ auf einmal! Aber ich habe Sie verstanden. Vielen Dank, daß Sie sich so nett um mich gekümmert haben. Ooch, bitte, nix zu danke. Ich unnerhalt mich als gern mit de Fremde, erst recht, wenn se so intressiert sin wie Sie. Ich wünsch Ihne noch en schääne Daach, unn wenn Se widder dahäm sinn, den_ken Se als emol an Worms. Ganz bestimmt, das werde ich tun, immer, öfter, ab und zu, gewöhnlich, in der Regel oder mit einem Wort: „als“.